Windelfrei vs. Töpfchentraining

"Babys können doch noch nicht aufs Töpfchen gehen, die Kontrolle über ihre Schließmuskeln erlernen sie doch erst mit ca. drei Jahren!"

"Ist das nicht Töpfchentraining? Das ist doch total schädlich für das Kind!"

 

Häufig bekommt man als Windelfrei-Eltern eine dieser oder eine ähnliche Aussage zu hören, wenn man erzählt, dass man sein Baby abhält. Es ist auch gar nicht verwunderlich, dass die Allgemeinheit so denkt, da sogar in medizinischen Ausbildungen genau dieses Wissen vermittelt wird. Babys haben keine Kontrolle über ihre Ausscheidungen, können ihre Schließmuskeln nicht kontrollieren. Zudem wird oft adavon abgeraten, weil es psychische Schäden beim Kind verursachen kann.

In diesem Beitrag will ich mit obigen Vorurteilen aufräumen und Windelfrei klar vom konventionellen Töpfchentraining abgrenzen.

 

Fakt ist, dass es unglaublich schwierig ist, empirische Studien mit geeigneten Versuchen durchzuführen, bei denen man Babys Schließmuskeln in den Fokus rückt, da es sich bei der Versuchsgruppe nun einmal um Babys handelt. Es gibt aber eine Reihe von Studien, die in anderen Gesellschaften das Trockenwerden genauer unter die Lupe genommen haben. Des Weiteren wurden in den letzten Jahren Erhebungen mit Familien durchgeführt, die Windelfrei praktizietren.

So wurde bereits 1977 von de Vries nachgewiesen, dass die Kinder der Digo in Westafrika bereits mit fünf bis sechs Monaten sowohl tags als auch nachts trocken sind, es somit weniger vom Alter der Kinder abhängt, wann sie trocken werden, als vielmehr vom soziokulturellen Hintergrund.
Im Jahr 2000 kam die bahnbrechende Erkenntnis von Gladh, dass sich die Blasen von Neugeborenen nicht einfach entleeren (die Babys also nicht einfach auslaufen), wenn man ihnen an der entsprechenden Stelle auf den Bauch drückt, somit also der Schließmuskel der Babys aktiv ist! (Die Vorstellung, dass Babys den ganzen Tag vor sich hintropfen ist ulkig.)

2008 zeigte Rugolotto, dass Windelfrei keine psychologischen Nebenwirkungen hat und die Babys tatsächlich Signale geben, bevor sie sich erleichtern.

Und 2012 haben Duong, Jansson und Hellström von der Universität in Göteborg herausgefunden, dass Windelfrei funktioniert. Wenn Eltern von Geburt an ihre Babys abhalten, sind diese im Schnitt mit 24 Monaten tags und nachts trocken.

Mit diesen und vielen anderen Studien ist zwar die Frage über die bewusste Kontrolle des Schließmuskels nicht endgültig beantwortet, sie zeigen aber, dass Kinder durchaus wesentlich früher als mit drei Jahren trocken werden können. Es scheinen viel mehr soziokulturelle Faktoren eine Rolle beim Trockenwerden zu spielen. Fragt man Eltern, die Windelfrei praktizieren, werden diese bestätigen, dass ihre Babys "Bescheid sagen" wenn sie müssen und dass sie schon sehr früh warten können, bis sie sich in der gewohnten Abhalteposition befinden, bevor sie sich erleichtern. Schenkt man ihren Signalen keine Beachtung und lässt sie tagaus tagein in Windeln, verlernen sie schlichtweg, auf das Gefühl des "Mal müssens" zu reagieren. Sie haben es beigebracht bekommen, ihr Klo am Körper zu tragen und einfach hineinzumachen. Umso schwieriger ist dann natürlich später die Umgewöhnung. Dann beginnt das Töpfchentraining (auch Sauberkeitserziehung genannt):

Hierbei werden in Europa und den USA zwei Wege unterschieden. Der erste geht davon aus, dass die Kinder von selbst dazu bereit sein müssen, aufs Töpfchen oder die Toilette zu gehen. Sie werden demzufolge solange gewickelt, bis sie selbst sagen können, dass sie mal aufs Klo gehen wollen. Bei dem zweiten Weg (in Deutschland kaum noch praktiziert) wird dem Kind ein Rhythmus beigebracht. Es wird zu festen Zeiten aufs Töpfchen/Klo gesetzt. Dieser Weg wird in Deutschland nicht mehr empfohlen, da er die Kinder auch gegen ihren Willen auf das Töpfchen zwingt.

 

Windelfrei ist KEINE dieser zwei Wege. Windelfrei geht davon aus, dass Kinder von Geburt an ein Gefühl für ihre Ausscheidungen haben und dieses Gefühl (neben Hunger und Durst) auch signalisieren. Selbst kleine Babys warten bereits ab, bis sie ausgezogen sind, bevor sie sich erleichtern, was Windelfrei-Eltern und sogar Wickel-Eltern bestätigen können. Denn auch gewickelte Babys machen in den ersten Wochen nach der Geburt mit Vorliebe dann Kacka oder Pipi, wenn sie nackig auf der Wickelkommode liegen. Windelfrei ist zudem immer ein Angebot und wird NIE gegen den Willen des Babys praktiziert. Das heißt, das Kind wird nicht abgehalten oder aufs Töpfchen gezwungen, wenn es nicht will. Es kann somit auch nicht schädlich für das Kind sein. Das Windelfrei-Angebot hilft ihm, ein gesundes Körperbewusstsein zu entwickeln.