"Windelfrei? Das is' nichts für mich! Da darf ich keine Windeln benutzen und hab ständig irgendwo eine Sauerei. Das ist mir viel zu anstrengend."
So oder so ähnlich zweifeln (werdende) Eltern an der Praktikabilität von Windelfrei und scheuen sich, es auszuprobieren.
Der Begriff "Windelfrei" ist diesbezüglich auch etwas irreführend, weil er die Abwesenheit von Windeln vermittelt. Und keine Windeln ist für die meistens Menschen unserer westlich geprägten Gesellschaft undenkbar, sind wir doch mit vollzeitgewickelten Babys um uns herum - uns eingeschlossen - aufgewachsen. Und was der Bauer nicht kennt, das isst er bekanntlich auch nicht. So ist es mit Vielem und eben auch mit diesem neumodischen Dings von Windelfrei. Kenn ich nicht, mach ich nicht.
Treffender als das Wort Windelfrei sind die Begriffe topffit und Ausscheidungskommunikation, im Englischen sind es infant potty training oder elimination comunication. Insbesondere der Begriff Ausscheidungskommunikation sagt schon nichts mehr über die An- oder Abwesenheit von Windeln aus. Hier geht es um etwas völlig anderes - nämlich um die Kommunikation mit deinem Baby über ein sonst unter den Teppich gekehrtes Grundbedürfnis aller Menschen: die Ausscheidung. Kommunikation also - in Verbindung sein.
Windelfrei ist aber kein Dogma und folgt keinem strikten Programm. Wenn du Windelfrei praktizieren willst, heiß das nicht, dass du ohne Windeln auskommen musst. Es heißt auch nicht, dass du
irgendetwas zu 100% durchziehen musst. Das Leben ist ja schließlich Veränderung und gerade mit Babys und Kindern verändern sich die Dinge so schnell und auch ziemlich oft.
Genau so verhält es sich mit dem Abhalten. Manchmal klappt es gut, manchmal klappt es nicht. Manchmal probiert man etwas aus, das eine Zeit lang gut geht und dann geht es plötzlich nicht mehr.
Dann passt man es an oder findet neue Möglichkeiten, probiert wieder was anderes, ...
Für die einen reicht es, das Baby einmal am Tag (z.B. morgens nacht dem Aufwachen) abzuhalten und die restliche Zeit Windeln zu tragen, für die anderen stellt es sich in mehreren Situationen des
Tages als praktikabel heraus. Es gibt Eltern, die gänzlich auf Windeln verzichten (aber die sind in Deutschland eher die Ausnahme). Die meisten Eltern in unserer westlichen Gesellschaft
kombinieren das Abhalten mit Windeln oder sogenannten Backups. Letztere sind minimalistische Stoffwindeln, die ein Pipi oder Großes Geschäft auffangen, wenn man es doch mal nicht
rechtzeitig bis zum Abhalteort geschafft hat. Danach werden sie meist direkt gewechselt. Sie helfen vielen Eltern dabei, gelassen zu bleiben, da Kleidung und Umgebung sauber bleiben.
Die Windelfrei-Praxis sieht somit für jede Mutter/Vater-Baby-Beziehung anders aus, sie wird individuell gestaltet und angepasst. Und das ist auch gut so.
Du darfst also selbstverständlich Windeln benutzen, welche auch immer du aus deinem ganz persönlichen Grund bevorzugst. Du darfst sie weglassen, so oft oder so wenig du willst. Finde einen Weg, der für euch stimmig ist.
Also bleib ganz gelassen! Sieh es als ein Experiment, das Spaß macht, probiere es einfach aus und finde deinen Weg.